ADL ist in Betrieb und zahlt kräftig auf das Energiesparprogramm der SBB ein.

Über die letzten 3 Jahre wurde ADL erfolgreich realisiert und befindet sich nun in der Einführung und hilft bereits jetzt beim Energiesparen. Doch worum geht es?
In alltäglichen Situationen im SBB-Schienennetz fahren Züge aufgrund der hohen Netzauslastung mit grosser Regelmässigkeit unvorhergesehen auf Halt zeigende Hauptsignale und müssen dadurch unnötig oft abbremsen bzw. anhalten. Grund dafür ist unter anderem, dass das Lokpersonal über die aktuelle Betriebslage kaum Informationen zur Verfügung hat und deshalb den Zug nur nach Dienstfahrplan/Stellwerksignalisierung führen kann. Die so entstehenden ungeplanten Halte und damit verbundenen Brems- und Anfahrmanöver führen zur Verschwendung von wichtigen Ressourcen (Verschleissmaterial beim Bremsen, Energie durch das Anfahren bzw. Beschleunigen) und auch die Fahrplanstabilität wird beeinträchtigt (Handorgeleffekt).
Viele dieser Bremsungen bzw. Halte liessen sich vermeiden, wenn das Lokpersonal die Fahrt unter Berücksichtigung der aktuellen Betriebslage rechtzeitig anpassen und dadurch das kritische Hauptsignal erst erreichen würde, wenn dieses wieder Fahrt zeigt.
Genau dieses Ziel hat das Projekt «Adaptive Lenkung» (ADL) verfolgt. ADL berechnet das energieoptimale Fahrprofil und übermittelt diese Information dem Lokpersonal in geeigneter Weise (Einblenden Fahrempfehlung zur optimalen Fahrgeschwindigkeit im Dienstfahrplan auf dem LEA). Damit werden Energie und Verschleisskosten gespart. ADL schliesst also eine wichtige Lücke im Informationskreis der Bahnproduktion.

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Abbildung 1 ADL Ausgabe im Führerstand

Wie funktioniert es konkret?
Eine Kernfunktionalität des Projektes ADL ist die Berechnung eines energieoptimalen Fahrprofils für Zugfahrten. Das Fahrprofil berücksichtigt neben den Fahrplananforderungen auch die aktuelle Betriebslage und Prognose des jeweiligen Zuges. Diese Berechnungen erfolgen serverseitig zentral für alle Züge des Netzes in einem kontinuierlichen, near-realtime Optimierungsprozess.
Die Lösung ADL deckt dabei den folgenden Regelkreis in zentralen, serverseitig realisierten Prozessen ab: Erfassung der Zugstandorte, Berechnung der netzweiten Prognose inkl. netzweiter Konflikterkennung, Prognose von ungeplanten Signalhalten und Prognose der Dauer dieser Signalhalte sowie die Berechnung des Korridors, auf dem für einen Zug ein energieoptimales Fahrprofil angewendet werden kann, ohne weitere Züge zu beeinflussen.
Die Optimierung des Fahrprofils geht von der Überlegung aus, eine vorhandene Fahrzeitreserve so auf eine Zugfahrt zu verteilen, dass möglichst wenig Traktionsenergie verbraucht wird, ohne dadurch weitere Züge in ihrer Fahrt zu beeinflussen. Die für einen Zug zu verteilende Fahrzeitreserve entsteht beispielsweise durch einen prognostizierten, ungeplanten Signalhalt. Wird im Rahmen der Optimierung die Geschwindigkeit bereits vor dem Signal reduziert statt den Zug erst am Signal zu stoppen, so ist insgesamt ein geringerer Energie-Verbrauch zu erwarten.
Der Abschnitt einer Zugfahrt, auf dem die Fahrzeit erhöht werden kann, ohne andere, folgende oder kreuzende Züge zu beeinflussen, wird als Zugfolgekorridor bezeichnet. Diese Korridore werden im Rahmen der vorhandenen Konflikterkennung individuell für jeden Zug kontinuierlich berechnet.

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Abbildung 2 Schematische Darstellung einer energieoptimierten Zugfahrt

Vorhandenes, umgekehrt genutzt führt zum Ziel
Da die ungeplante Signalhaltezeit als zusätzliche Fahrzeitreserve aufgefasst werden kann, liegt die Zielsetzung der ADL Fahrstrategieoptimierung sehr nahe an der bereits bestehenden Betatrassenfunktion in RCS. Die Betatrasse wurde entwickelt, um Trassen mit Reservezeiten zu berechnen. Diese Betatrasse wurde als Basis genommen und für die spezifischen Anforderungen von ADL zur Gammatrasse weiterentwickelt. Bei der Betatrasse wird simuliert, wie und wo eine Fahrzeitreserve durch den Lokführer voraussichtlich abgebaut wird. Bei der Gammatrasse ist der Weg gerade umgekehrt: Dem Lokführer sollen durch das Assistenzsystem ADL Fahrempfehlungen ausgegeben werden, so dass die durch einen ungeplanten Halt entstandenen Zusatzreserven durch geringere Fahrgeschwindigkeiten abgebaut werden. Die Gamma-Fahrweise spart somit Energie durch die geringere Geschwindigkeit, obwohl der Berechnung keine energieoptimale Zielfunktion bekannt ist.

ADL-Lenkungen im täglichen Bahnbetrieb
Das System ist aktiv in Betrieb und befindet sich in der Hochlaufphase. Der zugrunde liegende Algorhytmus funktioniert und der Informationsfluss zum Lokführer führt zu konkreten Lenkungen welche täglich Energie einsparen. Aktuell werden pro Tag rund 65‘000 Fahrempfehlungen ausgegeben, was der erwarteten Entwicklung entspricht. Im Verlauf des Jahres 2015 sollen diese Werte weiter gesteigert werden.

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Abbildung 3 Energieeinsparung pro Tag über Woche gemittelt bis KW42

Das Projekt ADL ist also auf gutem Weg, ein wesentliches Ziel zu erreichen. Denn durch «ungeplante Halte zu vermeiden, indem der Lokführer eine Fahrempfehlung erhält und er die Geschwindigkeit rechtzeitig absenken kann» wird Energie gespart und die Voraussetzung geschaffen um die Potenziale einer erhöhten Fahrplanstabilität zu erschliessen. Wenn es nun gelingt, den erfolgreichen Dialog zwischen Lokpersonal und der betrieblichen Disposition umfassend zu realisieren und damit die Fahrplanstabilität weiter zu erhöhen wird der Fahrplan pünktlicher oder lässt im Idealfall gar zusätzliche Trassen zu, ohne die Infrastruktur auszubauen. Diesen Lernweg erfolgreich zu absolvieren ist für uns alle ein grosser Ansporn.

Quelle: SBB